Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, hat die Pläne der Bundesregierung kritisiert, das Kindergeld und den Kinderfreibetrag ab 1. Januar 2021 zu erhöhen, und die Forderung nach einer Grundsicherung für Kinder bekräftigt. „Die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibetrag nützt denen am wenigsten, die sie am dringendsten brauchen. Die Anrechnung des Kindergeldes auf Hartz-IV-Leistungen muss sofort beendet werden“, sagte Kipping der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). „1,5 Millionen Kinder leben in Bedarfsgemeinschaften mit Leistungsbezug. Solange Kindergeld auf Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird, haben Leistungsberechtigte davon kaum etwas“, so die Linken-Vorsitzende.
Vom Kinderfreibetrag würden außerdem nur diejenigen profitieren, die in entsprechender Höhe Steuern zahlten. „Das sind die, die ohnehin ein gutes Einkommen haben. Für viele Eltern trifft das aber nicht zu. Gerade kinderreiche Familien und Alleinerziehende haben besonders häufig geringe Einkommen und profitieren vom Kinderfreibetrag daher kaum“, führte Kipping aus. Im Jahr 2018 betrug die Armutsrisikoquote von Paaren mit drei oder mehr Kindern ihren Angaben zufolge 30 Prozent. Über ein Drittel der Alleinerziehenden beziehe Hartz IV - gleich ob erwerbstätig oder arbeitslos. „Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in Haushalten von Alleinerziehenden betrug 2016 durchschnittlich 967 Euro pro Monat - staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld eingerechnet. Die Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrages nutzt vor allem besser verdienenden Alleinerziehenden und Paaren“, sagte Kipping. „Wenn wir wirklich den Familien mit Kindern helfen wollen, die es am nötigsten haben, müssen wir endlich eine Kindergrundsicherung einführen“, forderte die Linken-Politikerin.¹
Über die Daten, die die Bertelsmann-Stiftung für ihre Analyse zur Kinderarmut zugrunde legt, wird ebenso gern gestritten wie über die Frage, ab wann ein Kind in Deutschland arm ist. Und der Alarmismus, mit dem die Stiftung alle Jahre wieder die Kinderarmut im Land anprangert, ist zwar verständlich, damit überhaupt jemand zuhört. Er sorgt aber auch für eine gewisse Ritualisierung, und dazu gehört auch, dass das Thema nach kurzer öffentlicher Empörung schnell wieder von der Agenda verschwindet - traurig, aber wahr. Corona aber hat unsere Wahrnehmung verändert. Die Schlussfolgerung, dass die Pandemie die (Kinder)armut nun verschärft, kann jetzt auch von Menschen nachvollzogen werden, für die das Thema lange Zeit abstrakt war.
Familien, die bislang keine wirtschaftlichen Sorgen hatten, müssen plötzlich mit Einkommens- und Arbeitsplatzverlust klarkommen. Sozial benachteiligte Kinder, die im Shutdown aus allen unterstützenden Strukturen gefallen sind, stellen Kitas, Schulen und Jugendämter vor noch größere Herausforderungen als zuvor. Noch mehr Alleinerziehende, schon immer die am stärksten vonArmut bedrohte Gruppe, könnten wegen unzureichender Betreuungsmöglichkeiten in Hartz-IV-Leistungen abrutschen. Auch der Stillstand bei Integrations-, Sprach- und Qualifizierungsangeboten für Geflüchtete und ihre Kinder wird Armut verfestigen. Das Corona-Hilfs- und Konjunkturpaket der Bundesregierung wird diese Probleme nicht allesamt lösen können. Der Druck auf die Politik wird wachsen. Ein Anfang wäre schon mal gemacht, wenn im Zuge diverser Corona-Verordnungen die Bedürfnisse von Familien und Kindern mehr im Fokus stehen würden.²
¹Neue Osnabrücker Zeitung ²Allgemeine Zeitung Mainz