Kampf um ein neues Amerika

Entscheidet eine Fliege die US-Wahl?

Der Kampf für ein neues Amerika vertieft die ohnehin bestehenden Gräben. Während US-Präsident Donald Trump Bundespolizisten in vor allem von Demokraten regierte Städte schickte, fordert eine junge Protestbewegung grundlegende Reformen der Polizei. Mit der „Black Lives Matter“-Bewegung haben die Proteste gegen Polizeigewalt nach George Floyds Tod stark zugenommen. Der Film zeigt, wie sich in Minneapolis die Bewegung gegen die anhaltende Diskriminierung, der Schwarze in den USA ausgesetzt sind, über Jahre etabliert hat und was sich im aktuellen Fall durch die Unterstützung weißer Amerikaner verändert.

In Denver ist bereits sichtbar, mit welchen Folgen Pläne für den Umbau der Polizeistrukturen umgesetzt werden. Seit der jüngsten Polizeireform werden dort bei einem Notruf nicht sofort Polizisten losgeschickt, sondern je nach Bedarfslage zunächst Sozialarbeiter. In Lancaster, Pennsylvania, arbeiten weiße Stadtratsmitglieder daran, mit Mitteln der Stadtplanung langfristig gewachsene Gettos aufzulösen und die immer noch sichtbaren Folgen der Rassentrennung zu überwinden. Diese Initiativen stehen als Beispiele dafür, wie auch weiße Amerikaner beginnen, Strukturen zu verändern, die hinter Rassismus und Ausgrenzung stehen. In Washington D.C., dem Epizentrum der Proteste und der politischen Macht, begleitet das ZDF-Team schwarze und weiße Aktivisten und zeigt, wie sich der Kampf für ein neues Amerika auch gegen den Widerstand in den eigenen Familien formiert.

In Georgia, im Süden der Vereinigten Staaten, einem der ehemaligen großen Sklavenhalter-Staaten, wird besonders deutlich, wie die Republikaner um US-Präsident Donald Trump noch heute versuchen, die schwarze Minderheit am Wählen zu hindern. „auslandsjournal - die doku“ zeigt, mit welchen Mitteln schwarzen Wählern Steine in den Weg gelegt werden, um die lange gewachsene republikanische Macht in den Südstaaten zu bewahren.¹

Genau zwei Minuten und drei Sekunden zog eine Fliege Millionen Fernseh-Zuschauer in ihren Bann. Sie dürfte für die meisten Schlagzeilen der Debatte zwischen den „Running Mates“ (Mitbewerber) der US-Präsidentschaftskandidaten sorgen. Denn diese Fliege nahm auf Mike Pences silbergrauem Scheitel Platz. Als wäre sie gelangweilt von dem saftlosen Singsang des Vize-Präsidenten, machte sie nicht die geringsten Anstalten abzuheben. Bis auf das merkwürdig gerötete Auge wirkte Pence ansonsten blass und kraftlos. Fast wie einer, der etwas ausbrütet. Womöglich Covid-19?

Die Demokratin Kamala Harris lieferte die bessere Vorstellung ab, obwohl auch sie keine Antwort auf die meisten Fragen der schwachen Moderatorin gab. Effektiv erinnerte sie während der 90 Minuten auf der Bühne von Salt Lake City wiederholt an die mehr als sieben Millionen Covid-19-Infizierten und 210 000 Toten der Pandemie. Der Umgang des Weißen Hauses mit dem gefährlichen Virus sei „das größte Versagen irgendeiner Präsidentschaft in der Geschichte unseres Landes“, geißelte die Senatorin die Regierung. Pence und Trump „haben den Anspruch auf eine Wiederwahl damit aufgegeben“, befand Harris. Aber die Wahlkämpferin verpasste die Chance, Pence wegen seiner Rolle an der Spitze der Corona-Taskforce schärfer anzugehen. Die Generalstaatsanwältin kam bei Harris zum Vorschein, als sie dem Weißen Haus vorhielt, von der Gefahr des Virus bereits im Januar gewusst und diese versteckt zu haben. Echte Führer müssten ihren Landsleuten die Wahrheit sagen. „Dieser Präsident sagt, die Pandemie sei eine Erfindung,“ hielt Harris vor und befand: „Sie haben die Ernsthaftigkeit der Lage minimiert.“

In Erinnerung bleiben wird auch die herablassende Art, mit der Pence über die beiden Frauen auf der Bühne hinwegredete. Damit wird er garantiert nicht die Massenflucht der weißen Wählerinnen vor Präsident Donald Trump stoppen. Einen Bulldozer mit Schalldämpfer dürften nur wenige Frauen attraktiv finden. Insgesamt hielten sich bei dem Duell der Vizepräsidenten beide Seiten aber an den gebotenen Respekt. Für eineinhalb Stunden schien ein Stück Normalität auf die Bühne zurückzukehren. Hätten dort nicht zwei Plexiglasscheiben zwischen den Kandidaten daran erinnert, dass zur Zeit wenig normal ist. Allerdings wird schon am kommenden Wochenende bestimmt kaum mehr jemand wissen, worüber Pence und Kampala Harris eigentlich diskutiert haben. Inhaltlich bleiben vielleicht noch vage die Beiträge von Harris zu „Obamacare“ und der Rolle von verlässlichen Freunden im Ausland hängen. Beide vermieden kapitale Fehler, lieferten aber auch keine einprägsamen Zitate für die Endlosschleife in den Nachrichtenkanälen.

Harris setzte sich bei der Debatte als kompetente Kandidatin in Szene, die den 77-jährigen Joe Biden im Fall der Fälle als Präsident ersetzen könnte. Pence hat gewiss auch die Erfahrung dafür, wich aber der Frage aus, ob es angesichts der Erkrankung Trumps mit dem gefährlichen Covid-19-Erreger Notfall-Absprachen gibt. Da Biden und Harris in den Umfragen mit fast zehn Punkten vorn liegen und auch in allen Wechselwähler-Staaten die Umfragen anführen, lag es an Pence, das Ruder herumzureißen. Die vielleicht letzte Chance vor einem Millionenpublikum, da die beiden anderen Debatten zwischen Trump und Biden wegen der Covid-Erkrankung des Präsidenten in Frage stehen.

Pence versuchte, im Duktus eines traditionellen Republikaners die Politik eines unkonventionellen Präsidenten zu vertreten. Und scheiterte an den Widersprüchen. Der Vizepräsident wirkte bei diesem Auftritt in Salt Lake City so ausgelaugt wie die Regierung insgesamt. Weil er die Debatte nicht gewinnen konnte, hat er sie verloren.²

¹ZDF Presse und Information ²Mittelbayerische Zeitung

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